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Ausstellungen

Stillleben
Peter Herrmann, Ralf Kerbach, Heidrun Rueda, Volker Stelzmann

29. Oktober 2021 – 8. Januar 2022

Wurmstichige Äpfel, auf Zinntellern arrangiertes Wild, Porträts von Muscheln oder Kiesel­stei­nen. Maler des 17. Jahrhunderts sahen in ganz gewöhnlichen Dingen neue Bilder, es war die Blütezeit des Stilllebens. Heute, angesichts allgegenwärtiger und scheinbar alles durch­dringender Fotoapparate, ist die Stillleben-Malerei wichtiger denn je: Schönheit, aber auch Abgründe des Alltags lassen sich nicht per Photoshop erfinden. Es kommt darauf an, sie vor der Staffelei, im Akt des Malens zu entdecken. Und so oszillieren die Bilder von Peter Herrmann, Ralf Kerbach, Heidrun Rueda und Volker Stelzmann in der Ausstellung Stillleben der Galerie Poll zwischen präziser Abbildung und dem, was allenfalls intuitiv zu erahnen ist.

Die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie haben zeitweise zum Stillstand des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens geführt. Viele Wochen war es nicht möglich, Ausstellungen, Museen, Theater und Konzerte zu besuchen. Der persönliche Austausch mit Freunden oder Bekannten unterlag Kontaktbeschränkungen, Cafés und Restaurants waren geschlossen, Reisen nur eingeschränkt möglich. Auf sich zurückgeworfen, haben viele Menschen ihre unmittelbare Umgebung und die Dinge um sich herum neu wahrgenommen.

Mit skizzenhafter Ölmalerei in Braun- und Grautönen fällt im Fensterstilleben (2021) von Ralf Kerbach der Blick durch zwei weit geöffnete Fensterflügel auf einen Baumstamm. Auf dem Fensterbrett liegen ein Schneckenhaus, eine Muschel und ein Notizzettel. Leicht und transparent ist auch Grande Amore (2021) auf die Leinwand gebracht. Die Darstellung von zwei Kaffeebechern aus Pappe und einer Papiertüte ist nicht nur ein Stillleben, sondern auch eine Momentaufnahme des Take-Away-Alltags.

Ein kleiner und ein großer Lollo-Rosso-Salatkopf vor poppig rosafarbenem Hintergrund (Stehender Salatkopf, klein, und Stehender Salatkopf, groß, beide 2021), ein großes Glas mit roten Paprika und leuchtend grünem Schraubverschluss (Paprikaglas, 2021) oder ein halbgefülltes Wasserglas an Tischkante (2015): Heidrun Rueda malt ihre Motive naturalistisch in Tempera, Acryl und Öl. Entstehen ihre großformatigen fotorealistischen Bildserien von Flugzeugen, Landschaften oder Tieren nach Fotovorlagen, so sind die Stillleben nach der Natur gearbeitet.

Peter Herrmann stellt seine Motive in verblüffender Einfachheit dar. Häufig haftet ihnen etwas Komisches an. Seit einigen Jahren verwendet der Maler bevorzugt leuchtende, beinahe grelle Farben. Das zweiteilige Bild Großer Döner (2007) zeigt vor türkisfarbenem Hintergrund einen Spieß mit Dönerfleisch, daneben Fladenbrote. Drei überlebensgroße schwarze Vögel, Krähen oder Raben, erstarrt auf rosafarbenem Kopfsteinpflaster vor hellblauem Himmel dominieren das dreiteilige Gemälde Schwarz-Weiß (2020).   

Neben Menschen- und Figurenbildern sowie Porträts nehmen Stillleben im Werk von Volker Stelzmann einen bedeutenden Raum ein. In den meist kleinformatigen Gemälden gewährt der Künstler Einblicke in sein persönliches Umfeld: über die Jahre gesammelte Karnevalsmasken verschiedener Epochen in einer Holzkiste (Stilleben Masken, 2014), ein aufgefalteter, leerer Pappkarton (Karton, 1988) oder ein angeschnittener Brotlaib und eine leuchtend gelbe Zitrone auf einem Küchentisch vor nachtblauem Hintergrund (Stilleben mit Brot und Zitrone, 1973). Die präzise Wiedergabe von Farbigkeit, Lichtführung und Materialität der Bildgegenstände beeindruckt.  

Peter Herrmann (geb. 1937) besucht nach einer Ausbildung als Chemigraph ab 1953 Malkurse an der Volkshochschule bei Jürgen Böttcher-Strawalde. 1984 verlässt er die DDR und reist nach Hamburg aus; seit 1986 lebt er in (West-)Berlin. 1998 wurde Peter Herrmann für sein Werk mit dem Villa Romana-Preis, Florenz und 2001 mit dem Fred Thieler-Preis für Malerei der Berlinischen Galerie ausgezeichnet, in deren Sammlung sich ebenso Werke des Künstlers befinden, wie u.a. in den Staatlichen Museen zu Berlin, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und dem Museum Ludwig in Köln.

Ralf Kerbach (geb. 1956) studierte von 1977 bis 1979 an der HfBK Dresden bei Prof. Gerhard Kettner, bis die DDR ihn zur Exmatrikulation drängte. Daraufhin siedelte er 1982 nach West-Berlin über. 1986/87 erhielt er ein Stipendium in Olevano. Seit 1992 lehrt er als Professor Malerei und Grafik an der HfBK Dresden. Seine Werke befinden sich u.a. in der Berlinischen Galerie, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, im Museum der bildenden Künste Leipzig und im Museum Barberini Potsdam.

Heidrun Rueda (geb. 1963) studierte von 1989 bis 1996 Malerei an der HfBK Dresden bei Prof. Günther Horlbeck. 1994 erhielt sie das Sächsische Landesstipendium, 1999 ein Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds und 2004 ein Aufenthaltsstipendium im Schloss Wiepersdorf. Heidrun Ruedas Arbeiten befinden sich in mehreren privaten und öffentlichen Sammlungen, so im Brandenburgischem Landesmuseum für Moderne Kunst Frankfurt/Oder, der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt/Main und der Bibliothèque Nationale de France Paris.

Volker Stelzmann (geb. 1940) studierte von 1963 bis 1968 an der HGB Leipzig, wo er von 1975 bis 1986 lehrte, seit 1982 als Professor. 1986 nutzte Volker Stelzmann eine große Ausstellung seiner Arbeiten in der Staatlichen Kunsthalle in West-Berlin, um die DDR zu verlassen. Nach einer Gastprofessur an der Städelschule Frankfurt/Main lehrte er von 1988 bis 2006 an der HdK Berlin. Werke des Künstlers befinden sich in zahlreichen Sammlun­gen, darunter die Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Museum Folkwang Essen und das Sprengel Museum Hannover.