Lambert M. Wintersberger (1941-2013)

Lambert M. Wintersberger (1941-2013)
o. T., 2005, Kartonschnitt, 52 x 43 cm

Annäherung an ein Lebenswerk

Papierarbeiten

 

23. April bis 18. Juni 2016

Eröffnung: Freitag, 22. April 2016, 18-21 Uhr

 

„Kunst ist, in den Regenbogen Treppen meißeln.“

Lambert M. Wintersberger

 

Arbeiten aus verschiedenen Schaffensphasen von Lambert M. Wintersberger zeigen Galerie Poll und Kunststiftung Poll aus Anlass des 75. Geburtstages des Künstlers. Nach fünf Einzelausstellungen seit 1983 ist diese sechste der Versuch einer ersten Bilanz nach über 50 Jahren künstlerischen Schaffens  des 2013 verstorbenen Künstlers. In der Galerie wird die Malerei ausgestellt, die Kunststiftung präsentiert Gouachen, Aquarelle und Kartonschnitte.

Lambert M. Wintersberger, geboren am 23. April 1941 in München, absolvierte 1958 eine Lehre als Dekorations-, Kirchen- und Glasmaler, bevor er von 1959 bis 1961 an der Akademie der Bildenden Künste seiner Geburtsstadt studierte. Er setzte das Studium von 1961 bis 1964 in Florenz an der Accademia di Belle Arti fort und wechselte 1964 an die Hoch­schule der Künste nach West-Berlin, wo er bis 1969 als freischaffender Künstler lebte und zu den Gründungsmitgliedern der Ausstellungsgemeinschaft Großgörschen 35 gehörte. Nach Aufenthalten in Köln (1970), den USA (1971-1972) und Stuttgart (1969, 1980-1985) sowie einem Lehrauftrag an der Düsseldorfer Kunstakademie (1974-1977) erwarben Wintersberger und seine Frau Dolores Helena Wyss (1946-2005) den stillgelegten Bahnhof von Walbourg bei Hagenau im Elsass, wo er bis zu seinem Freitod lebte und arbeitete.

„Ich bin weil ich male, und wenn ich male, bin ich mehr und für andere“,  so Wintersbergers Selbsteinschätzung. Sein erster Galerist Hans-Jürgen Müller charakterisierte ihn so: „Sein Element ist Malerei, sein Leben die Kunst, sein Publikum er selbst.“

Die Malerei stand stets im Zentrum von Wintersbergers künstlerischem Schaffen. Angeregt durch das politische Klima in West-Berlin begann er dort in den sechziger Jahren unter dem Einfluss der Pop Art, seine neuartigen Bildvorstellungen zu realisieren. Die Fragmentierung der Figur ist charak­te­ristisch für seinen konturfixierten, glatten Frühstil mit überdimensionierten Fingern und Fingernägeln sowie riesigen Mündern aus der Welt der Werbung. Es folgen die „Verletzungen“ in unterkühlten Grautönen, ausgeführt in einer schablonenhaften Malweise: „Fesselungen“, „Sprengungen“ und „Spaltungen“ einzelner Körperteile werden formatfüllend dargestellt. „Die malerische Perfektion seiner Bilder bedeutet Tarnung. Dahinter tickt die Zeitbombe irdischer Folterungen und Zerstörungen. Seine Sehnsucht gilt einer heilen Welt.“ (Hans-Jürgen Müller)

Die Theoriediskussion und vielfältige inhaltliche und künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Realismus und Realität in der Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, die 1972 in der documenta 5 und zahlreichen  Themenausstellungen gipfelte, lösten auch im Werk von Wintersberger eine Veränderung aus.  Bereits während der Arbeit an den Porträts der siebziger Jahre erprobte er seine expressive Malerei, die fortan sein eigentliches Thema darstellte: Die Sinnlichkeit des Pinselstrichs, die Macht der Farbe und deren Wirkung im Bildraum spielen nun eine zentrale Rolle. Das Malmittel Kunstharz wird durch Öl ersetzt.

Bildmotive werden über Jahre durchgearbeitet, es entstehen Werkgruppen und Motivkomplexe zu teils banalen Themen wie Pilzen, deren unterschiedliche Sorten er 1972-1974 in einem 72-teiligen Bild relativ naturgetreu wiedergibt, oder Tierdarstellungen. Eine Auseinandersetzung mit der klassischen Antike oder der griechischen Mythologie führt ebenfalls zu Bildthemen. In Serien der achtziger Jahre wie „China-Afrika“ oder „Hawaii“ schildert Wintersberger Eindrücke eigenen Reiseerlebens und die subjektive Wahrnehmung lokaler Kultur mit mitteleuropäischer Mystik und Geschichte. In den neunziger Jahren widmet er seiner Wahlheimat Frankreich einen Zyklus zur „Maginot-Linie“.

„Naturrealität kann so übergreifend mächtig sein, dass man sie sich per Nachbild und Imitation unterwerfen muss“, beschreibt Wintersberger die oft wochenlangen Naturstudien während seiner  Reisen nach Amerika, in die Karibik, nach Hawaii oder Bali, nach Italien oder ins Nachbarland Schweiz, die er wie eine Art zeichnerisches und malerisches Tagebuch betreibt. Darüber hinaus unternimmt er immer wieder Exkursionen in die Kunstgeschichte mit Darstellungen weiblicher Akte und Selbstbildnissen.

Lambert M. Wintersberger wurde mehrfach ausgezeichnet, seine Werke befinden sich in bedeutenden privaten und öffentlichen Sammlungen, unter anderen in der Nationalgalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz Berlin, im Kunstmuseum Bonn, im Städel Museum Frankfurt am Main, im Sprengel Museum Hannover und in der Staatsgalerie Stuttgart. Auch die Kunststiftung Poll besitzt mehrere Arbeiten des Künstlers.

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