Walter Gramatté

Selbstbildnis mit Häusern – Lithographien

7. April – 27. Mai 2006

Der Berliner Spätexpressionist Walter Gramatté (1897-1929) hat trotz einer nur kurzen Schaffensperiode von 12 Jahren ein umfangreiches und dichtes Werk hinterlassen. Seine Kunst ist besonders von der Zeit der Nachkriegsära geprägt und bezieht die verschiedenen künstlerischen Strömungen und stilistischen Mittel dieser Epoche ein. In diversen Bildthemen greift der Künstler die psychischen und physischen Verletzungen seiner Generation auf.

Ein wichtiges Motiv für Gramatté ist das Selbstportrait, das sich in vielen seiner druckgraphischen Arbeiten finden lässt und ihm als Medium der Entladung seiner seelischen Spannungen dient. In den über 200 Selbstportraits spiegeln sich die marternde Erforschung der eigenen Person, ihr Ausdruck und die schmerzliche Selbstbefragung als Sinnbild einer ständigen Suche nach dem Selbst.

Die Lithographien “Selbstbildnis mit Häusern” von 1923 zeigen als Folge von 22 Blättern diese Suche in all ihrer künstlerischen Ausdruckskraft. Wie in den meisten Selbstportraits erscheint in dieser Serie das Selbstbildnis in extremer Nahansicht, als Brustbild, mit leicht ins Profil gewandtem Kopf und unnatürlich schmalen Schultern. Die sich im Hintergrund erstreckende Häuserlandschaft scheint weit entrückt. Portrait und Umgebung passen nicht zueinander. Die Fremdheit des Individuums in der Welt wird sichtbar.

Walter Gramattés Druckgraphik ist nicht von seinem Privatleben zu trennen. Die vielen Widmungen auf den Blättern zeigen wie persönlich dieser Schaffensprozess für ihn ist. So ist auch “Selbstbildnis mit Häusern” für die Lage des Künstlers im Jahre 1923 symptomatisch. Geldnot, ein schlechter Gesundheitszustand (der ihn zwingt nach und nach die Druckgraphik aufzugeben) und ständige Wohnungssuche gehören zu seinem Alltag. Oft muss er bei Freunden übernachten, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Sein Hamburger Freundeskreis gewährt ihm immer wieder den so dringend benötigten Unterschlupf.

So mag “Selbstbildnis mit Häusern”, das den Künstler in Hamburg zeigen soll, nicht nur als Suche nach dem eigenen Ich, sondern auch als Suche nach einem Platz in der Welt verstanden werden.

Aufgrund der Wohnungsnot verlässt das Ehepaar Gramatté ein Jahr nach Entstehen der Lithographie-Serie Deutschland und lässt sich in Spanien nieder. Aus Sehnsucht nach den Freunden kehrt das Paar aber schon 1926 zurück. Das Spätwerk Gramattés wirkt vor allem durch den Einfluss Spaniens ruhiger und heller, die Landschaft tritt in den Vordergrund. Jetzt erst entstehen seine graphischen Hauptwerke, die Illustrationen zu “Lenz” (1924) und Wozzek” (1925). Dennoch beschäftigt sich Grammatté bis zu seinem frühen Tod 1929 immer wieder mit dem Selbstbildnis. Es bleibt eines seiner Hauptthemen.

Die für das Werk des Künstlers so typische Lithographie-Serie “Selbstbildnis mit Häusern” wird in der Kunststiftung Poll erstmals vollständig ausgestellt.

 

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